Was ist Fakt in der Landwirtschaft ?

ergänzende Beiträge

 Entwicklung der Agrarstruktur in Deutschland von 1914 bis 2010

(ergänzende Ausführungen zur Frage 2 und Frage 4 der AF „Strukturentwicklung“

Dr. Peter Pollack

Zweitausend Jahre Agrarverfassungen in Deutschland zeigen in der Spanne von der germanischen Marktgenossenschaft bis zur Produktivgenossenschaft nach dem deutschen Genossenschaftsgesetz in den 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts eine große Vielfalt zeitlicher und regionaler Differenzierungen. Sie zeigen aber auch, dass es neben dem Bedarf an Lebensmitteln und dem Bedarf an Arbeitskräften in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft in den Regionen Deutschlands und dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt  vor allem die Machtverhältnisse waren, die die Agrarverfassung und die Agrarstruktur bestimmten.

Während es in der Vergangenheit die physischen Machtverhältnisse mit Herrschern bzw. Grundherren und Unterdrückten waren, sind es in der Neuzeit vorwiegend Geld, Märkte, Marktordnungen und staatliche Subventionen, die die Agrarstruktur und ihre Entwicklung bestimmen. Dabei entstanden besonders nach der Bauernbefreiung auch in Deutschland erhebliche regionale Unterschiede in der Agrarstruktur.

Nach dem ersten Weltkrieg führte die Diskussion über sinnvolle Agrarstrukturen in Deutschland zur Siedlungspolitik der Weimarer Republik. In deren Folge wurden mittelgroße Landwirtschaftsbetriebe zu Lasten des Großgrundbesitzes gestärkt. Es entstanden bäuerliche Familienbetriebe.

Größengruppe

Vor dem ersten Weltkrieg

1937

 

% der Betriebe

% der Nutzfläche

% der Betriebe

% der Nutzfläche

< 5 ha

76

15

57

13

5 bis 20 ha

19

33

34

46

20 bis 50 ha

4

21

7

23

50 bis 100 ha

0,6

8

1

9

> 100 ha

0,4

23

0,5

17

Tabelle 1: Betriebsgrößengruppen in Deutschland

Die Unterschiede der politischen Entwicklung in den beiden Teilen Deutschlands führten zu völlig unterschiedlichen Agrarstrukturen. In der alten Bundesrepublik war das Leitbild der Agrarstruktur der leistungsfähige, für den Einsatz der modernen Technik geeignete und ein genügend hohes Einkommen sichernde bäuerliche Familienbetrieb. Im Zeitraum von 1950 bis 1990 ging die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe um ca. 1 Million zurück. Es vollzog sich der Übergang von einer arbeitsintensiven zu einer hochmechanisierten Wirtschaftsweise. Diese Entwicklung erfolgte ohne staatliche Eingriffe auf der Grundlage privaten Eigentums an Grund und Boden.

 

Größengruppe

1950

1990

 

% der Nutzfläche

% der Nutzläche

1 bis 20 ha

65,3

26,7

20 bis 50 ha

23,4

41,4

50 bis 100 ha

6,2

22,8

> 100 ha

4,1

9,2

Tabelle 2: Betriebsgrößengruppen in der Bundesrepublik Deutschland von  1950 bis 1990

Gleichzeitig sank die Anzahl der Arbeitskräfte um 5.368000 von 6.280000 auf 912000 Arbeitskräfte.

In der sowjetischen Besatzungszone und der späteren Deutschen Demokratischen Republik wurde die Entwicklung der Agrarstruktur politisch und mit Zwang durchgesetzt.

Durch die entschädigungslose Enteignung aller Landwirtschaftsbetriebe mit über 100 ha Fläche im Zuge der Bodenreform wurden  3,3 Mio. ha Flächen in den staatlichen Bodenfonds überführt.  Davon wurden 2,2 Mio. ha an 560000 private Empfänger verteilt vor allem zur Ansiedlung von ca. 210.000 Neubauernstellen für landlose Bauern, Landarbeiter und Umsiedlern aus den Ostgebieten bereitgestellt (Tab. #). Die Restfläche verblieb im Staatseigentum und wurde im Wesentlichen von Volkseigenen Gütern bewirtschaftet.

 

Größengruppe

1939

1951

 

% der Nutzfläche

% der Nutzläche

0,5 bis 20 ha

41

70

20 bis 100 ha

31

26

> 100 ha

28

5

Tabelle 3: Betriebsgrößenentwicklung in der Sowjetischen Besatzungszone/DDR

Durch die Bodenreform entstand privates Eigentum in der Landwirtschaft in Form von  kleinbäuerlichen Betriebe mit 6 bis 12 ha Nutzfläche. Das politische Ziel bestand jedoch darin, die Landwirte schrittweise den Industriearbeitern anzugleichen. Das sollte im nächsten Schritt über die zunächst freiwillige und später zwangsweise Kollektivierung in Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften erfolgen.

Die Landwirtschaft wurde staatlich geführt geleitet, die LPG fortlaufend vergrößert, die Produktion spezialisiert und zunehmend industriemäßig organisiert (Tab. #). Das erfolgte auf der Grundlage überwiegend privaten Eigentums an Grund und Boden sowie am kollektiven Eigentum an Produktionsmitteln.

 

Jahr

Betriebe gesamt       

davon LPG            

davon VEG

davon privat

1950

  650.600                          

0

559

65 100

196

29 760                  

19 300

669

9 770

1970

10 670                    

9 010

511

1 176

1980

5 492                    

3 950

469

1 100

1989

5 110                    

3 840

464

802

Tabelle 4: Entwicklung landwirtschaftlicher Betriebe in der DDR

Mit der deutschen Vereinigung mussten die Rechtsverhältnisse der DDR an die der Bundesrepublik angepasst werden. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür wurden durch das Landwirtschaftsanpassungsgesetz im Juli 1990 von der damaligen Volkskammer geschaffen. Das politische Ziel dieses Gesetzes war es, die Eigentumsverhältnisse weitgehend zu klären und Grundsätze für die Umstrukturierung  sowie die Vermögensaufteilung festzulegen. Es war nicht Ziel dieses Gesetzes, alle bestehenden Strukturen zu zerschlagen. Dieses Ziel ist erreicht worden.

 

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